Wenn es etwas mehr sein darf?

veröffentlicht in: Das Schwimmbad und sein Personal, Heft 02/2022

… oder wie man den Volumenstrom verdoppelt.


Mitten im „Naturpark Sauerland Rothaargebirge“ liegt die

Gemeinde Herscheid

auf schönen 59 Quadrat-Kilometern.

Das Bad sagt über sich selbst, natürlich auf der eigenen Webseite: „Im Strandkorb liegen, die Füße im Sand, der Blick Richtung Wasser: Was sich anhört, wie ein Urlaubstraum an der See, kann in Herscheid jeden Tag Realität sein. Dies ist nur eine der vielen Facetten des Warmwasserfreibads: Hier fühlen sich sowohl die Kleinen, als auch die Großen pudelwohl.

Was das Bad auszeichnet, das ist seine Weitläufigkeit: Auf den großen Liegewiesen findet man auch an gut besuchten Tagen noch ein freies Plätzchen.

Wer es komfortabel mag, der kann sich einen Strandkorb oder eine Liege leihen. Einen guten Überblick über das Gelände haben die Besucher von der Sonnenterrasse, die sich neben dem Kiosk befindet, in dem Erfrischungen und Leckereien angeboten werden. Sportlich geht es wenige Meter entfernt auf dem Bolzplatz und dem Beach-Volleyball-Feld zu. Den Mittelpunkt des Bades bilden die vier Becken. Die jüngsten Besucher vergnügen sich am liebsten im modernen Planschbecken mitsamt Wasserpilz und Spielgeräten. Neu gestaltet wurde das Nicht-Schwimmerbecken: Es verfügt über Strömungskanal, Wellenbreitrutsche, Massagedüsen, Wasserschale und Nackendusche. Damit nicht genug der Attraktionen: Denn an das Schwimmerbecken mit seinen sieben Bahnen ist ein Springerbecken angeschlossen. An diesem steht ein Sprungturm, von dem die Gäste aus einem oder aus drei Metern Höhe mehr oder weniger kunstvoll ins Wasser gleiten können.“

Die Webseite

… hat Recht aber irgendwie auch nicht. Denn die Webseite flunkert etwas, weil sie veraltet ist. Aktualisierung tut not, der Text war nur bis 2020 wirklich korrekt.

Inzwischen ist viel passiert im Schwimmbad. Fördermittel haben „das neue“ Nichtschwimmer-Becken veralten lassen, denn seit Frühsommer 2021 zieren auch ein neues Schwimmer- und ein neues Sprungbecken (siehe oben) aus Edelstahl das Freibad. Mehr als 10 Jahre zuvor hatte der findige Planer, genau wie das Schwimmbad und sein Personal die Hoffnung auf diese Erweiterung nicht aufgegeben und im ersten Bauabschnitt einige Vorkehrungen getroffen.

Keiner konnte ahnen, dass die Gemeinde bis 2021 mit einem rissigen Beton-Keramik-Becken und dessen hohen Wasserverlusten werde leben müssen.

Mit den ersten beiden Edelstahlbecken, einem Planschbecken und einem attraktiven Nichtschwimmer-Becken war schon damals eine neue Wasseraufbereitungs-Anlage gekommen.

Abbildung 1: Ein Platz am Bach, Quelle: aqua&pools

Platznot

Wegen extremer Platznot im Filterraum hatte der Planer einen Vakuum-Anschwemm-Filter für mehr als 750-DIN-m³/h Filterleistung, plus Rohrleitungen plus Pumpen vorgesehen.

Die Edelstahl- und die Keramik-Becken wurden dann aber mit 400m³/h betrieben. Die Anlage wurde 2020 auf den (virtuellen) Prüfstand gestellt und die Maßnahmen gegeneinander abgewogen.

  1. Reparatur des Filters und Reduzierung der Pumpenleistung auf 400m³/h oder
  2. Modernisierung des Filters und Umstellung auf energie-effiziente(re) Pumpen bis 800m³/h.

Bei ersten Besichtigungen des Filters stellten sich mehrere Zerstörungen des Filter-Gewebes auf den Filter-Elementen heraus. Die Firma, die diese Elemente hergestellt hatte, war längst einer Insolvenz erlegen.

Trotzdem entschied sich die Gemeinde mit dem neuen Planer, neu Elemente in mehr als doppelter Anzahl zur Ausschreibung zu bringen.

Abbildung 03: Einbau neuer Filter-Elemente, Quelle: aqua&pools

Vermutlich der einzige Spezialist, der sich an diesen Auftrag wagte, war die WTA Vogtland GmbH aus Plauen in Sachsen. Besonders deren Sinn fürs Detail beim Gewebe war gefragt. Schließlich mussten das Material, die Anzahl, die Dichte der Fäden so stimmen, dass sich die Filterhilfs-Stoffe anlagern.

Näheres zur Anschwemm-Filtration können auch im Beitrag im Hefft 05/2020 nachgelesen werden.

Eine der vorsorglichen Maßnahmen des alten Planers beim Bau des Filters war der

„Mut zur Lücke“.

Der Platz von 43 Filter-Elementen wurde durch 21 Elemente und 23 Blindstopfen genutzt. Der Anlagenbauer aus Plauen wurde also beauftragt, 43 neue identische Elemente zu liefern und zu montieren.

 

 

Der theoretische Weg zur Verdopplung des Volumenstromes stand offen.

Abbildung 04: 3 von 4 Umwälzpumpen, Quelle aqua&pools

Was theoretisch einfach klingt, kann in der Praxis unlösbare Probleme aufwerfen. Man muss bedenken, dass sich auch die Strömungs-Verhältnisse im Filter und besonders zwischen den Filter-Elementen ändern. Mit der vorhandenen Festfrequenz-Regelung, wenn man das so nennen darf, war kein Anschwemm-Blumenkorb zu gewinnen.

Regelung und Steuerung

Es galt also, 4 neue Pumpen und 5 alte(!) Motor-Klappen so zu synchronisieren, dass der Halte-Unterdruck niemals abreißt. Der Filterkuchen soll doch am Gewebe bleiben und nicht ständig ersetzt werden. Hier hat der Programmierer der neuen Steuerung geradezu virtuos auf seinem Instrument gespielt.

Musste er doch auch Luftblasen im System vorhersehen und ein Überlaufen des Filters verhindern.

Abbildung 05: Idylle im Gelände, Quelle aqua&pools

Überlaufen,

… wer Herscheid auf der Karte gesucht hat, wird sich sicherlich fragen: Ist da nicht auch was übergelaufen?

Ja! Aber nur der Bach kurz bevor er das Freibad in unmittelbarer Nähe zum Filter durchquert. Der örtlichen Feuerwehr und vielen Helfern ist es zu verdanken, dass 1 Woche nach der formellen Abnahme nicht eine erneute Sanierung angestanden hat.

Schwallwasser-Behälter

Ein offener Punkt in der (geplanten) Sanierung ist der leider sehr klein bemessene alte Schwallwasser-Behälter. Kommt es hier zu Niedrig-Ständen wird von der Steuerung zuerst der Volumenstrom reduziert, was Wasser aus den Gefälle-Leitungen in den Behälter treibt und diesen vorsorglich auffüllt.

Abbildung 06: Färbeversuch, Quelle aqua&pools

Reicht diese Maßnahme nicht, dann wechselt der Anschwemm-Filter in die Zirkulation, die auch während der Anschwemmung genutzt wird. Also doppelte Sicherheit gegen den Verlust des Filterkuchens.

Für diese Maßnahmen musste ein maßgeschneiderter Schaltschrank her, der das Schwimmbad und sein Personal bei der Einhaltung der Wasserqualität unterstützt.

Effizientere Umwälz-Pumpen sind nicht unbedingt kleinere Umwälz-Pumpen!

… und sie sind auch nicht leichter. Deshalb wurden die neuen Pumpen erst von einem Hersteller-Team am Ort zusammengesetzt. Anders war weder der Transport noch die Positionierung möglich. Sogar einige Rohrleitungen mussten weichen – und nicht jeder Anschluss war mit dem hydraulischen Standard zu realisieren.

Abbildung 7: Der neue Filter, Quelle aqua&pools

Letztendlich war alles gut!

Der Unterdruck hat kein Gewebe zerrissen! Das Kieselgur hat sich angeschwemmt und gefiltert! Das Beckenwasser ist sauber und hat die chemischen und biologischen Untersuchungen bestanden! Das Becken hat Färbetest und auch die erste Saison gut überstanden.

Gut geplant! Gut realsiert! Gut betrieben!

Wer ähnliches vorhat, findet den Link wie immer:

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